Ich hab' doch nur geknipst Die Kriegsbilder von Philipp Kepplinger
Sie steht in seinem Arbeitszimmer, unscheinbar im Regal links neben der Tür. Schwarz, 5 x 12 x 8 cm, mit abgerundeten Ecken. Philipp Kepplinger, der ehemalige Assistent des Filmemachers Curt Oertel, trägt die Agfa Movex 8 ins Wohnzimmer.
Er schaut durch den Sucher, betätigt den Auslöser. Der Motor der Film-Kamera beginnt zu schnarren. Er könnte mal wieder geölt werden, sagt Kepplinger. Aber die Kamera tut es immer noch, und das nach mehr als 65 Jahren. Damals, 1939, als er sie zum ersten Mal in einem Fotogeschäft in Le Mans sah, hatte Philipp Kepplinger nicht widerstehen können, hatte sie sich von seinem ersten Sold gekauft. "Die Kamera gab es bei uns in Deutschland ja schon lange nicht mehr zu kaufen." Seitdem ist die 8-Millimeter-Kamera seine treue Begleiterin. Kepplinger filmt die Waschfrauen an der Sarthe, die Kathedrale, die Kameraden, die an der berühmten Rennstrecke Gräben ausheben. Er filmt die Kaserne in Koblenz, in der er zum Pionier ausgebildet wird, filmt während der Appelle und auf der Mosel, wo die Pioniere rudern lernen. Sogar seine eigene Vereidigung filmt er, denn Kepplinger und seine Kameraden auf der Stube stehen unter Quarantäne. "Wie dann die eigentliche Vereidigung war, feierlich - das war am Fastnachtssamstag, das weiß ich genau, wo bei uns eigentlich die Fastnachts-Rekruten vereidigt werden - haben wir oben vom Fenster aus zugesehen, wie die anderen die Finger heben mussten", sagt Kepplinger und lacht: "Ich bin eigentlich gar nicht vereidigt worden."
Mit der Agfa-Movex 8 hält er seine Zeit als Funker bei den Pionieren auf dem Balkan fest. Brücken müssen erneuert werden, Titos Partisanen haben sie in die Luft gesprengt. Aber auch das Alltagsleben der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung fasziniert Kepplinger.Bei seinem letzten Heimaturlaub in Mainz 1944 filmt er sein Elternhaus, Vater und Mutter bei der Arbeit in der elterlichen Drogerie, fotografiert im Luftschutzkeller - obwohl die Nazis Fotos- und Filmaufnahmen ausdrücklich verboten haben. Es ist das letzte Mal, das Philipp Kepplinger seine Mutter und seinen Bruder Hans sieht. Hans gilt als in Rumänien verschollen, die Mutter stirbt am 27. Februar 1945, dem Tag des verheerenden Bombenangriffs der Alliierten auf Mainz.
Filmen, Fotografieren ist Kepplingers Leben. Die Freude daran hat er vom Vater geerbt. Der besaß eine allseits angesehene Drogerie in der Mainzer Innenstadt und hatte im Keller alle Chemikalien, die man zum Entwickeln von Fotos benötigte. "Unser Vater hat sehr gerne fotografiert. Anfangs hat er seine Sachen auch selbst entwickelt, da hatten wir im Parterre das ausrangierte Klo, das ist zur Dunkelkammer umfunktioniert worden", sagt Kepplinger. Mit zehn Jahren habe er sich seine erste eigene Fotokamera gekauft, eine Agfa-Box zum Sonderpreis von vier Mark. Daran könne er sich noch genau erinnern, sagt der 83-Jährige, denn er habe vier Mark-Münzen mit den Prägestempeln A - G - F - A im Geschäft abgeben müssen. Er habe aber nur geknipst, sagt Kepplinger, nicht wirklich fotografiert.
Hunderte Fotos lagern in Philipp Kepplingers Arbeitszimmer in der kleinen Dachgeschosswohnung, dazu der Karton mit den 8-Millimeter-Filmen, der Filmbetrachter und -projektor. Jetzt sortiert er aus, hebt auf, wirft weg. Das SÜDWEST Fernsehen hat den ehemaligen Kameraassistenten, Trickfilmer und Stadtarchivar dabei beobachtet und ihn nach seinen Erinnerungen befragt. Erinnerungen an seine Heimatstadt, an den Krieg und an die Zeit danach - Erinnerungen auf Fotokarton und Zelluloid.
Wiederholungen:
23.02.2006: 14.30-15.00 EinsFestival Ich hab' doch nur geknipst Die Kriegsbilder von Philipp Kepplinger
24.02.2006: 13.05-13.30 EinsFestival Ich hab' doch nur geknipst Die Kriegsbilder von Philipp Kepplinger
25.02.2006: 11.30-12.00 EinsFestival Ich hab' doch nur geknipst Die Kriegsbilder von Philipp Kepplinger
26.02.2006: 10.00-10.25 EinsFestival Ich hab' doch nur geknipst Die Kriegsbilder von Philipp Kepplinger
27.02.2006: 08.30-09.00 EinsFestival Ich hab' doch nur geknipst Die Kriegsbilder von Philipp Kepplinger
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