02.05.2006 - Wirtschaft / Economist "Kroaten haben zu hohe Kredite genommen" VON MARTIN KUGLER Interview. Kroatiens Vizepremier Damir Polancec will die Privatisierung ankurbeln.
Wien. Kroatiens Auslandsverschuldung droht außer Kontrolle zu geraten: Per Ende März lagen die Schulden bei 84,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das Budget ist dabei nicht das Hauptproblem - dort schrumpft das Defizit. "Die Kroaten haben zu hohe Kredite genommen", sagt der für Wirtschaftsfragen zuständige Vizepremier Damir Polancec im "Presse"-Gespräch. Das sei zwar erwartbar gewesen, weil die Menschen bessere Wohnungen und Autos haben wollen. Doch ein "Problem" seien die Banken, die offensiv Privatkredite vergeben.
Die Regierung könne dagegen unmittelbar kaum etwas unternehmen, bedauert Polancec. "Das ist Sache der Nationalbank." Diese hat Mitte Jänner die Mindestreserven angehoben - geholfen hat das aber nichts. Man führe daher viele Gespräche mit den Banken - mit dem Appell, dass sie weniger in den Retail-Bereich investieren sondern mehr in den Aufbau von Produktionskapazitäten, so der Spitzenpolitiker. Hier hat Kroatien ein echtes Manko: Es gibt kaum Großindustrie, der Großteil der Konsumgüter wird importiert - was sich in einem Leistungsbilanzdefizit von zuletzt über sieben Prozent des BIP niederschlägt.
Parallel dazu ist Kroatien nun gezwungen, die lange vernachlässigte Privatisierung voranzutreiben - seit Jahren warten 1010 Unternehmen auf einen Verkauf. Derzeit werde ein neues Privatisierungsgesetz ausgearbeitet. In Vorbereitung sind Ausschreibungen von 17 Firmen, darunter die großen Brocken in der Stahl- und Aluminiumindustrie. In Vorbereitung ist zudem die zweite Phase der Privatisierung des Erdölkonzerns INA: 15 Prozent sollen an die Börse gebracht werden - im Gespräch ist auch eine Zweitplatzierung in Wien. Was mit den restliche Anteilen geschieht, wird noch heuer entschieden. Ähnliches gilt für den Verkauf der Kroatischen Telekom.
Mit den Privatisierungserlösen wolle Kroatien die Auslandsverschuldung bis Jahresende auf 83 Prozent drücken, so Polancec. Dabei ist Eile geboten, denn im Juni muss eine Mrd. Kuna (137 Mill. Euro) an Pensionisten nachgezahlt werden. Ein Gericht hatte kürzlich entschieden, dass Schulden aus den Jahren 1993 bis 1998 beglichen werden müssen - damals würden die Pensionen nicht an die Inflation angepasst.
Bei den EU-Beitrittsverhandlungen, die im Oktober 2005 begonnen wurden, gebe es "sehr gute Fortschritte", meint der Vizepremier. Der erwünscht Beitrittstermin ist allerdings schon einmal vorsorglich nach hinten verschoben worden: Im Vorjahresherbst war noch von Ende 2008 die Rede. Nun heiß das Ziel, dass die Kroaten bei den Europawahlen Mitte 2009 teilnehmen können sollen.
Von der EU fordert Polancec klarere Perspektiven für ganz Südosteuropa. "Das derzeit ausgesandte Signal ,die EU ist erweiterungsmüde' ist nicht hilfreich", sagt er. Die Unsicherheit sei im Gegenteil ein gutes Feld für innenpolitische Kämpfe. Österreich verstehe diese Situation "sehr gut" - was er von anderen EU-Staaten nicht behaupten will.
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