Aktienmarkt-Analyse An Kroatiens Börse läuft nur Schwergewicht Pliva nicht
01. Februar 2005 Von Seiten der Europäischen Kommission und einer Reihe von EU-Regierungen war jüngst wieder der Vorwurf zu hören, die kroatische Regierung arbeite nur unzureichend mit dem internationalen Haager Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien zusammen. Die von der Europäischen Union für Mitte März geplante Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kroatien drohe sich deshalb erheblich zu verzögern, so die Warnung. Und wie es weiter hieß, sei selbst bei einem perfekten Verlauf der Verhandlungen nicht vor 2009 mit einer EU-Mitgliedschaft Kroatiens zu rechnen.
Doch trotz der Erkenntnis, daß das Land damit weniger schnell vorankommt als die Mitstreiter Bulgarien und Kroatien, lassen sich die Marktteilnehmer an der Börse in Kroatien von solchen Molltönen in ihrem Optimismus offenbar nicht stören. Obwohl damit einer der wichtigsten kurstreibenden Gründe einen Dämpfer erhalten hat, ist der offizielle Index der Zagreber Börse Crobex in diesem Jahr trotzdem schon um rund 23 Prozent gestiegen. Er knüpft damit nahtlos an seine prächtige Form des Vorjahres an, als der Index um fast ein Drittel gestiegen war.
Haussierende Indizes und markant steigende Umsätze
Obwohl diese Performance schon beachtlich ist, spiegelt die Bilanz das Ausmaß der Hausse am kroatischen Aktienmarkt wider. Denn eine noch bessere Entwicklung beim Crobex wurde durch die lahme Vorstellung von Pliva verhindert. Der Pharmawert ist mit Abstand das größte Unternehmen in Kroatien und wird deshalb im Index sehr hoch gewichtet. Doch wegen interner Probleme und verfehlter Ziele hat ausgerechnet dieser Titel seit Anfang 2004 rund 24 Prozent an Wert verloren. Ein besseres Abbild der Verhältnisse ist deshalb der VIN, der als Index der Varazdin Stock Exchange fungiert. Der kletterte im Vorjahr um über 127 Prozent und kam auch schon im noch jungen Jahr 2005 erneut um mehr als 40 Prozent voran.
Angelockt von diesen Kurssteigerungen, der EU-Perspektive und mit jährlichen BIP-Zuwächsen von um die vier Prozent vergleichsweise hohen Wirtschaftswachstumsraten, fallen auch die Steigerungsraten bei den Börsenumsätzen sehr hoch aus. Am Montag beliefen sich die Umsätze an den beiden Börsen auf umgerechnet rund acht Millionen Euro, was in etwa einer Verdoppelung im Vergleich zum Niveau vor einem Jahr gleichkommt. Die Zahl der durchschnittlich am Tag abgewickelten Transaktionen hat sich sogar verdreifacht und beschert den Broker eine Sonderkonjunktur. „Es ist Wahnsinn wie schnell sich hier alles entwickelt. Wir kommen mit der Abwicklung kaum noch nach und für Research-Arbeiten bleibt deshalb kaum noch Zeit”, jubelt und klagt Marin Hresic, Managing Director beim Broker Fima, der eigenen Angaben zufolge zuletzt fast 40 Prozent aller Börsenorder auf sich vereinigte.
Sagenhafte Kursgewinne
Ausschließlich Anlaß zum Jubeln haben jene Anleger, die beim Stock-Picking geschickt vorgegangen sind. So ist die Aktie der aus dem Schiffsbereich kommende Gesellschaft Atlanska Plovidba seit Anfang 2004 um 4.141 Prozent explodiert. Kursverzehnfachung in nur dreizehn Monaten waren auch im Bausektor möglich. Die Notiz der Gesellschaft IGH verbesserte sich beispielsweise im genannten Zeitraum 1.258 Prozent.
Trotz dieser enormen Gewinne finden auch diese Aktien noch immer Fürsprecher unter den Brokern in Kroatien. Das hat damit zu tun, daß viele Aktien lange Zeit einfach sehr stark unterbewertet waren und auch die Gewinne zuletzt deutlich gestiegen sind. So ist der Gewinn bei Atlanska plovidba im Vorjahr vermutlich um 251 Prozent gestiegen und in diesem Jahr soll er um weitere 57 Prozent klettern.
Broker finden noch immer kaufenswerte Titel
Als Favoriten werden zudem immer wieder Werte wie der unter anderem im Bereich Tabak und Tourismus tätige Konzern Adris genannt oder die kroatische Ericsson-Tochter Ericsson Nikola Tesla. Interessant, weil auch noch nicht ganz so stark gestiegen, sind die Marktführer im Bereich Finanzdienstleistungen. Im Versicherungssektor ist das Croatia Osiguranje, die bei einem Prämienaufkommen von 2,23 Milliarden Kuna über 43 Prozent am kroatischen Versicherungsmarkt hält.
Im Bankenbereich ist gemessen an der Bilanzsumme und am Gewinn die im Mehrheitseigentum der italienischen UniCredito befindendliche Zagrebacka Banka der Platzhirsch. Und mit der Privredna banka Zagreb als Tochter der IntesaBci gehört auch die Nummer zwei mehrheitlich einer italienische Bank.
Ebenfalls Erwähnung finden die Beteiligungsgesellschaft Elka, deren innerer Wert deutlich über dem Börsenwert anzusiedeln ist oder der Nahrungsmittelkonzern Podravka, der als mögliches Übernahmeziel gilt. Die Krux bei allen diesen Titeln ist nur, daß sie an deutschen Börsen nicht gehandelt werden. Hierzulande ist nur der Pharmawert erhältlich, also ausgerechnet jener Wert, der die Hausse trotz einem einstelligen Kurs-Gewinn-Verhältnis bisher verschlafen hat. Wer am kroatischen Börsen-Märchen mitverdienen will, muß somit Flexibilität zeigen und über Broker vor Ort agieren. Wer den Mut aufbrachte, wurde für diesen Pioniergeist zuletzt schon üppigst belohnt.
Die in dem Beitrag geäußerte Einschätzung gibt die Meinung des Autors und nicht die der F.A.Z.-Redaktion wieder.
In unserem Kroatien-Forum finden Sie umfassende Informationen über Urlaub und Ferien in Kroatien sowie passende Ferienwohnungen, Hotels, Apartments und Ferienhäuser für den Kroatienurlaub.