Am 21. November 1995 wurde in Dayton der Friedensvertrag paraphiert, der den dreieinhalbjährigen Krieg in Bosnien beendete. Am Tisch sassen die Präsidenten von Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien, Izetbegovic, Tudjman und Milosevic. Die ersten beiden sind gestorben. Der dritte muss sich vor dem Uno-Tribunal in Den Haag wegen Kriegsverbrechen verantworten. Auch gegen die beiden andern hatte die Anklage des Haager Gerichts ermittelt.
Der Friede musste mit jenen geschlossen werden, die für das Blutvergiessen mitverantwortlich waren. Es ging in Dayton nicht um die Wiederherstellung von Gerechtigkeit, sondern um die Beendigung des Krieges. Dass dies gelungen ist, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Entstanden ist allerdings ein überaus komplexes Staatsgebilde mit verschwommenen Zuständigkeiten, verschlungenen Entscheidungswegen und ausufernden Bürokratien. Der Gesamtstaat erhielt nur wenig Kompetenzen. Die beiden Teile, die bosnjakisch-kroatische Föderation und die Serbische Republik, wurden mit weitgehenden Befugnissen ausgestattet. Jedes der drei staatsbildenden Völker kann mit den in Dayton gewährten Vetorechten Gesetzesprojekte zu Fall bringen. In der dem Land aufgezwungenen Verfassung dominiert das ethnisch-nationale Prinzip über das individuell-bürgerliche.
Die mit Gewalt herbeigeführte ethnische Teilung wurde in Dayton sanktioniert. Das war der Preis für den Frieden. Die extremistischen Serben mussten zwar die von ihnen beherrschten Teile der Hauptstadt Sarajewo räumen. Sie durften aber weite Gebiete der durch ethnische Säuberungen entstandenen Serbischen Republik behalten. Damit hatten sie ein wichtiges Kriegsziel erreicht. Nicht einmal der Name musste geändert werden, was der amerikanische Vermittler Holbrooke in seinem Buch über den Verhandlungsmarathon in Dayton als einen schweren Fehler bezeichnete.
Das Blutvergiessen war beendet. Doch jene, die für die Tragödie verantwortlich waren, blieben in Amt und Würden, auch die Kriegsverbrecher. Die ethnisch definierten Parteien der drei Volksgruppen, jene der Bosnjaken (Muslime), der Serben und Kroaten, gewannen die ersten Parlamentswahlen im Herbst 1996 und festigten ihre Machtposition. Sie dominieren auch heute noch das politische Leben. Zweifellos hat sich der Alltag in Bosnien weitgehend normalisiert. Der Gesamtstaat hat inzwischen etwas mehr Kompetenzen, auch wenn teilweise zentrale Institutionen geschaffen wurden, die nicht viel mehr als eine Adresse haben. Auch wird die EU wohl noch in diesem Jahr mit Bosnien Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen aufnehmen. Das ist gewiss ein grosser Erfolg.
Dennoch drängt sich die Frage auf: Kann mit Parteien, die das alte multiethnische Bosnien zerschlagen haben, ein neuer funktionierender bosnischer Gesamtstaat aufgebaut werden, zumal ein Teil der heute herrschenden Politiker diesen gar nicht will? Auch viele Bewohner des Landes, vor allem Serben und Kroaten, betrachten Bosnien nicht als ihre Heimat, sondern als ein fremdes, von aussen aufgezwungenes Gebilde. Was nach wie vor fehlt, ist eine gemeinsame bosnische Identität. Eine solche zu schaffen, ist noch viel schwieriger und langwieriger, als staatliche Institutionen aufzubauen.
Der in Dayton eingesetzte internationale Bosnien-Beauftragte verfügt seit Ende 1997 über umfangreiche Kompetenzen. Er kann gewählte Amtsträger absetzen, Gesetze dekretieren oder auch ausser Kraft setzen. Gerade der heutige Amtsinhaber, Ashdown, hat in grossem Masse davon Gebrauch gemacht. Solche weitgehenden Eingriffsrechte hätte der Bosnien-Beauftragte in den ersten Jahren nach Dayton haben müssen. Dann wäre er auch in der Lage gewesen, hart durchzugreifen und gegen jene vorzugehen, welche die Umsetzung des Abkommens blockierten.
Die Kritik an solchen Eingriffen hat in Bosnien in den letzten Jahren ständig zugenommen. Sie werden als Willkür empfunden, die im Widerspruch zu den vom Westen gepredigten demokratischen Werten stehe. Gewiss wurden dank diesen Interventionen Fortschritte erzielt. Doch ist es allerhöchste Zeit, dass die gewählten bosnischen Politiker endlich selbst die volle Verantwortung übernehmen. Nur so werden sie auch gezwungen, Kompromisse einzugehen. Unpopuläre und unbequeme Entscheidungen konnten sie bisher dem Bosnien-Beauftragten überlassen. Jeder im Land weiss, wer letztlich die Entscheidungen trifft.
Die meisten Bosnier halten nicht viel von den eigenen Politikern, die in ihren Augen unfähig, machthungrig und korrupt sind. Es ist denn auch besorgniserregend, wenn viele junge Bosnier in der Abwanderung die einzige Zukunftsperspektive sehen. Was das Land braucht, ist eine neue Generation von pragmatischen und zukunftsorientierten Politikern, die ihre Aufgabe in erster Linie als Dienst am bosnischen Staat und nicht an ihrer eigenen Volksgruppe verstehen. Nur so ist die dringend notwendige umfassende Reform der in Dayton geschaffenen politischen Institutionen möglich.
C. Sr.
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ZitatJugoslawien-Krieg: Zehn Jahre danach
Dayton-Abkommen Teilung abgeschlossen
Am 21. November 1995 willigten die Präsidenten der jugoslawischen Teilrepubliken Serbien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina auf der Airbase von Dayton (Ohio) in ein Abkommen ein, das die Kriegshandlungen zum Abschluss brachte.
Der Friedensvertrag von Dayton hat dreieinhalb Jahre Bürgerkrieg mit fast 200 000 Toten und bis zu 2 Millionen Flüchtlingen beendet. Nach dreiwöchigen Verhandlungen auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Wright-Patterson in Dayton, Ohio, einigten sich Slobodan Milosevic, Franjo Tudjman und Alija Izetbegovic unter Vermittlung der USA und der EU auf das Abkommen. Am 14. Dezember 1995 wurde es in Paris unterzeichnet. Es war das definitive Ende des Vielvölkerstaates Jugoslawien. Danach blieb Bosnien-Herzegowina, das sich 1992 für unabhängig von Jugoslawien erklärt hat, als souveräner und ungeteilter Staat erhalten. Es wurden jedoch zwei weitgehend voneinander getrennte politische Einheiten geschaffen: die muslimisch-kroatische Föderation und die Serbische Republik, die jeweils etwa die Hälfte der Landesfläche einnehmen. Die zuvor geteilte Hauptstadt Sarajevo wurde wiedervereinigt. Den Flüchtlingen wurde in dem Abkommen eine sichere Heimkehr an einen Ort ihrer Wahl zugesichert. Mit der Koordination wurde das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) betraut. Seither sind laut UNHCR-Angaben mehr als eine Million Flüchtlinge aus dem Ausland sowie Vertriebene innerhalb von Bosnien-Herzegowina zurückgekehrt. Das Abkommen war auch Grundlage für die Entsendung der Internationalen Friedenstruppe Ifor (später Sfor) mit zunächst 60 000 Soldaten. Das Kommando wurde im Dezember 2004 von der Nato auf die EU übertragen, Eufor zählt heute noch 7000 Soldaten.
Quelle Zofinger Tagblatt Leider ist die verlinkte Seite / Foto / Video nicht mehr verfügbar. - Thofroe
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