Die Landstraße zieht sich endlos dahin und der Regen will nicht nachlassen. Wie schön die Landschaft hier im Sommer ist, kann ich nicht erkennen, da ich die schmale Strasse im Auge behalten muss und die Sichtweite eh bei 50 m endet.
Leider versteckt der Regen nicht die zerstörten Häuser und verlassenen Dörfer, durch die wir fahren. Ich möchte sie nicht sehen und nicht darüber reden. Das hatten wir letzten Sommer schon, wenn auch nicht so extrem wie hier und es reißt nur alte Wunden auf.
Endlich sind wir da. Hinter dem Bahnwärterhäuschen und über die Geleise hinweg. Wir steigen aus und der fieselige, unscheinbare Regen hat uns in kürzester Zeit bis auf die Haut durchnässt. Es ist still hier, keine Autos zu hören, keine Menschen. Nun stehen wir vor dem Hof deines Großvaters und ich versuche, ihn mit deinen begeisterten Erzählungen in Gleichklang zu bringen.
Hier, wo du einen großen Teil deiner Kindheit verbracht hast. Wo du im Apfelbaum gesessen bist, unsichtbar für alle und beobachtet hast. Wo man dich ernstgenommen hat und wo du ein Teil des Ganzen warst, nicht einfach nur ein Kind. Wo in der Familiengemeinschaft gesät und geerntet wurde, wo gekeltert, gebrannt und geschlachtet wurde.
Wo alle an einem Strang zogen, weil es anders nicht ging. Wo man aber genauso feiern konnte, wenn es auch nur den geringsten Anlass dazu gab.
Ich hatte mir ein Idyll vorgestellt, wie in "Piroschka", wir sind ja hier in Slawonien auch nicht weit von der ungarischen Grenze entfernt. Aber ich sehe nur ein kleines Häuschen mit einer windschiefen Scheune, die dringend einen Hang bräuchte, um sich anzulehnen. Lange nicht bestellte Felder, einen verwilderten Garten und winterliche Tristesse. Wo ist der Walnussbaum, wo die Linde?
Ich weiß nicht, was du aus meiner Miene herausgelesen hast. Überraschung, Mitleid, Entsetzen? Aber du verstummst mitten im Satz und drehst dich zur Seite. Und ich sehe deine Mundwinkel zucken.
Nein, Liebste, es war nichts dergleichen. Höchstens etwas Trauer oder Melancholie.
Dann reisst plötzlich die Wolkendecke auf und die Sonne bescheint genau dieses Fleckchen Erde. Haus und Scheune sind ohne die schwarzen Schatten viel größer, die Wiesen grüner und weiter. Und jetzt kann ich den Walnussbaum sehen. Und ich sehe Bewegung im Apfelbaum. Ein schlacksiges Mädel mit dürren Beinen sitzt in der Krone und ihre ungebändigte schwarze Mähne verflicht sich mit den Zweigen. Die gelben Primel fließen über die Wiese hinab zum Fluss und es riecht nach frischer Maad. Fröhliches Gelächter und Stimmengewirr tönt aus dem Hof. Und für Augenblicke kann ich prall gefüllte Tische sehen, mit glücklichen Menschen, die tafeln und trinken. In ihren scharf zerfurchten Gesichtern sehe ich die Mühsal und die Anstrengung ihres Lebens, aber ich sehe auch ihre Zugehörigkeit zueinander und ihre Liebe füreinander. Und ich fühle Geborgenheit.
Dann ist die Wolkendecke wieder geschlossen und der Regen schnürt weiter. Er hatte nie aufgehört. Es ist still wie zuvor.
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