Das Interview mit dem kroatischen Menschenrechtler Zarko Puhovski in der deutschen "taz" vom 26. 3. 05.
Für diejenigen, die den Mann nicht kennen; Dr. Puhovski ist in Kroatien ein sehr bekannter Mann, war während der Tudjmans Regierung und danach der Mitglied und Präsident einiger verschiedener Menschenrechtorganisationen in Kroatien, unter anderem auch vom kroatischen Teil von "Helsinki Watch". Neben dem Ivan Zvonimir Cicak und Ivo Banac einer der schärfsten Kritiker der früheren Tudjmans Regierung in Kroatien. Er hat sich als Menschenrechtler viel für die, während des Krieges , viele serbischen Menschen eingesetzt und hat mit seinen Organisationen rechecheiert, wieviele serbische Zivilisten sind in den Befreiungsktionen der kroatischen Armee getötet worden. Prof. Dr. Puhovski, ist jüdischer Abstamung, gilt als links-liberaler. Die kroatischen Rechten haben ihn öfter beschmipft als "komunjara" (in Kroatischem ein Schimpfwort für einen Kommunisten,oder Sozialdemokraten ) und "Jugo-Nostalgiker", und als "Gegner von Kroatien", etc.
Der Titel : "Die EU enttäuscht die Proeuropäer" Der Schaden in Kroatien ist groß, weil Brüssel die Beitrittsverhandlungen verschoben hat. Es gelten zweierlei Maß
taz: Herr Puhovski, Sie sind immer für einen EU-Beitritt Kroatiens eingetreten. Nun will Brüssel die Verhandlungen erst einmal aussetzen. Sind Sie enttäuscht?
Zarko Puhovski: Ich respektiere die Argumentation der EU. Allerdings wird die Entscheidung die Entwicklung Kroatiens sehr negativ beeinflussen. Ich frage mich, ob das wirklich nötig war - und warum die EU mit zweierlei Maß misst.
taz:Wie ist das gemeint?
ZP: Vor der Erweiterung der EU im vorigen Jahr konnten wir Menschenrechtler in Kroatien eine an Brüssler Standards orientierte, bessere Minderheitenpolitik einfordern. Doch jetzt sind die baltischen Staaten in die EU integriert, die eine sehr fragwürdige Minderheitenpolitik haben. Ein anderes Beispiel: Wir konnten fordern, Bosnien und Herzegowina zu einem einheitlichen Staat zusammenzufügen - doch jetzt wurde mit Zypern ein gespaltenes Land aufgenommen, ohne die politischen Probleme zu lösen. Und wenn jetzt über die Integration von Bulgarien und Rumänien gesprochen wird, dann ist dies für mich ein Witz. Beide Länder hinken in vielen Politikfeldern hinter Kroatien her. Das gelten also zweierlei Maß.
taz:Offenbar war Kroatien noch nicht reif für die EU - immerhin hat es sich geweigert, einen mutmaßlichen Kriegsverbrecher an das Tribunal von Den Hag zu überstellen. Hätte die Regierung den General Gotovina besser ausgeliefert?
ZP: Während des Krieges stand Franjo Tudjman als Präsident an der Spitze, Gojka Susak war Verteidigungsminister, dann kamen die Generäle Cervenko und Bobetko, der fünfte war Ante Gotovina. Alle anderen sind tot. So ist Gotovina zum wichtigsten Kroaten in Kriegsfragen geworden. Wenn aus Serbien Milosevic, Milutinovicc und andere schon in Den Haag sind, auch aus Bosnien und dem Kosovo, muss eben auch einer aus Kroatien kommen.
taz: Also ist Gotovina für Den Haag nur ein Symbol?
ZP: So ist es. Nach unseren Recherchen sind im August 1995 zirka 700 Serben ermordet worden, und zwar größtenteils nach dem Ende der direkten Kriegsoperationen. Ante Gotovina war da schon in Bosnien, als das passierte. Er hat also kein Kommando mehr innegehabt.
taz: Wie wirkt das in Kroatien?
ZP: Ein großer Teil der Bevölkerung verteidigt Gotovina inzwischen als Patrioten. Wir haben nicht Belgrad überfallen, sondern nur Zadar und Vukovar verteidigt, heißt es. Deshalb konnten wir keine Kriegsverbrechen begehen. Das Tribunal in Den Haag erscheint als eine politische Institution, die versucht, Täter und Opfer auf eine Stufe zu stellen. Und das ist für viele Kroaten nicht akzeptabel.
taz: Verliert die Regierung durch den "Fall Gotovina" die Unterstützung der Bevölkerung?
ZP: Nicht allein durch ihn. Die Anti-EU-Stimmung in der Tudjman-Partei HDZ gab es schon immer. Jetzt sind aber noch andere Bevölkerungsschichten hinzugekommen. Vielen fällt es schwer, die Souveränität Kroatiens infrage zu stellen, für die so hart gekämpft werden musste. Die Bauern haben Angst vor der EU-Agrarpolitik, viele Leute in Dalmatien fürchten, dass Deutsche oder Österreicher das Land aufkaufen. Sogar Linke und Liberale sind von der EU enttäuscht. So ist in kurzer Zeit eine relativ breite Koalition von EU-Gegnern entstanden. Mit der negativen Entscheidung der EU steht Sanader also im Regen. Und einige Abgeordnete seiner Partei könnten die Gefolgschaft aufkündigen und damit die knappe Mehrheit im Parlament gefährden.
taz: Die Regierung Sanader wollte mit Macht in die EU und hat viel getan, Kroatien vorzubereiten. Infrastruktur, Schul- und Rechtssystem wurden modernisiert. Hat Brüssel das angemessen gewürdigt?
ZP: Nein, weder die EU hat die Reformen honoriert noch die Bevölkerung in Kroatien. Sanader und die Führungsspitze der HDZ haben nach ihrem Wahlsieg 2003 alle überrascht. Sie hatten sich in der Tat von alten Vorstellungen gelöst und voll auf die Karte des EU-Beitritts gesetzt. Jetzt stellt sich das als ein taktischer Fehler heraus. Denn die Wähler dieser Partei haben die HDZ nicht ins Parlament gewählt, um die Politik der Sozialdemokraten fortzuführen oder gar eine Koalition mit der serbischen Minderheit einzugehen, wie es geschehen ist. Auch wollten die Wähler nicht mit dem UN-Tribunal in Den Haag kooperieren. Die Führungsspitze der Partei hat quasi Wahlbetrug begangen.
taz: Gibt es also noch eine Chance für die Integration in die EU?
ZP: Für 2007 ist es zu spät. 2009 und 2012 wären die nächsten Daten. Auch Serbien, Bosnien, Kosovo, Montenegro und Mazedonien wollen dann Mitglied werden. Aber das ist jetzt natürlich alles unsicher. Sicher ist nur, dass die proeuropäischen und zivilen Kräfte in allen diesen Ländern politisch in die Defensive geraten sind. Doch wir als Menschenrechtler müssen weitermachen. Immer noch gibt es Probleme mit der Rückkehr serbischer Flüchtlinge. Zwar sind es nicht mehr tausende von Serben wie vor ein paar Jahren, sondern noch ein paar hundert, die Schwierigkeiten haben, ihr Eigentum zurückzuerhalten. Ein größeres Problem bilden die Roma, die systematisch ausgegrenzt werden. Da unterscheidet sich Kroatien aber nicht von anderen europäischen Staaten.
Ich möchte zudem was Herr Puhovski sagt nur noch eins hinzzufügen;
In diesen Tagen, haben viele Menschen erst jetzt, nach 90 Jahren, von dem ersten Völkermord in 20. Jh. erfahren. Vom Massaker an über 1 Mio Armeniern durch die turkischen Truppen im Jahre 1915. Die Armeniern trauern an dem Jahrestag, die Türken wollen nichts davon wissn , sondern verhöhnen die Opfer. Keiner in der EU fordert von der türkischen Regierung eine ofiziele Entschuldigung, geschweige von einem Schadenersatz,oder ähnliches. Keiner stellt der Türkei dies als eine Bedingung für den EU-Beitritt. Von Kroatien wird aber viel viel mehr verlangt. Und das ganze Kroatien (bevölkeungsmässig) ist so groß wie halb Istambul. Wa mich angeht, habe ich wie viele Kroaten resigniert und ich würde sogar der kroatischen Regierung vorschlagen dieses Spiel nicht mehr mitzmachen. Einfach die EU-Kandidatur zurückzuziehen und das war´s. In dem benachbarten Bosnien befinden sich noch tausenden von NATO-Soldaten. Wenn sie Gotovina selber fassen können, dann sollen sie ihn fassen. Nur das bezweifele ich stark, denn sie können seit über 10 Jahre, die beiden größten Verbrecher Karadzic und Mladic nicht fassen. Und nur noch eins zu dem was Herr Puhovski von der Angst mancher Menschen vor dem Landausverkauf sagt. Die Angst gibt es bestimmt, wie auch in manch anderen Ländern, die schon in der EU sind. Jedoch, ist die Angst vor den deutschen, bzw. österreichischen Käufern am wenigsten. Ich kenne meine Landsleute und jeder weiß(viele können es hier besätigen), daß für die meisten Kroaten, gerade die Deutschen und die Österreicher die mit Abstand die beliebtesten Ausländer sind. Die Kroaten haben die Deutschen und die Österreicher schon immer als die Freunde Kroatiens geschätzt. Schließlich war Kroatien mehrere Jahrhunderte ein Teil der alten österreichisch-ngarischen Monarchie, die für die damaligen Verhältnisse so ein Vorreiter der heutigen EU war.
Friedbert Pflüger, außenpolitischer Sprecher der oppositionellen deutschen Union, fordert sofortige EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien.
WIEN. Mit scharfen Worten hat am Freitag Friedbert Pflüger, der außenpolitische Sprecher der oppositionellen CDU/CSU-Fraktion im deutschen Bundestag, den derzeitigen Kroatien-Kurs der EU gegeißelt. Es sei ein "schwerer Fehler", keine Beitrittsverhandlungen mit Kroatien aufzunehmen, erklärte der 50-Jährige im Gespräch mit der "Presse".
Der als Kriegsverbrecher angeklagte Ante Gotovina müsse natürlich ans Haager Tribunal ausgeliefert werden. Doch niemand könne den Nachweis erbringen, dass Kroatiens Premier Sanader nicht alles unternehme, den Ex-General verhaften zu lassen. Mit ihrer "unverhältnismäßigen Reaktion" schwäche die EU eine Regierung, die Versöhnung auf dem Balkan anstrebe. "Mit uns hätte es einen derartigen EU-Beschluss nicht gegeben", sagte der CDU-Politiker, der sich damit voll hinter die österreichische Position in der Kroatien-Frage stellte. .......
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derStandard.at | Politik | International | Europa | EU und Kroatien 30. April 2005 18:57 Mutmaßliche Gotovina-Fluchthelfer festgenommen Erstes Ergebnis eines umfassenden Aktionsplans Trennlinie Zagreb - In Kroatien sind zwei Männer festgenommen worden, die dem als Kriegsverbrecher gesuchten früheren General Ante Gotovina Fluchthilfe geleistet haben sollen. Ministerpräsident Ivo Sanader sagte am Samstag in Zagreb, die beiden hätten Gotovina einen gefälschten Pass gegeben.
Dies sei das erste Ergebnis eines umfassenden Aktionsplans zur Festnahme des Flüchtigen, zitierte ihn die Nachrichtenagentur Hina. Die Europäische Union hatte die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien auf Eis gelegt, weil Gotovina bisher nicht an das Haager Tribunal ausgeliefert worden ist.
Polizeisprecherin abgelöst
Im Zusammenhang mit der Fahndung nach dem Ex-General ist am Donnerstag die Zagreber Polizeisprecherin Gordana Vulama abgelöst worden. Vulamas Bruder sei einer der Anwälte von Gotovina, der vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag angeklagt ist.
Sanader hatte zuvor beklagt, dass in der Vergangenheit wichtige Informationen über die Fahndung nach Gotovina von der Polizei an die Öffentlichkeit gelangt seien. Wegen "Versäumnissen" bei der Suche nach Gotovina war der kroatische Kriminalpolizeichef Dragutin Cestar bereits früher entlassen worden. (APA/dpa)
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